Warum die Unterscheidung für die Behandlung so wichtig ist
Zusammenfassung: Der Pferdemagen besteht aus zwei völlig unterschiedlichen Bereichen – und entsprechend gibt es zwei Formen von Magengeschwüren: ESGD (Equine Squamous Gastric Disease) betrifft den oberen, drüsenlosen Bereich und macht 60-90% der Fälle aus. EGGD (Equine Glandular Gastric Disease) betrifft den unteren Drüsenbereich und ist seltener, aber schwieriger zu behandeln. Die Unterscheidung ist entscheidend, da beide Formen unterschiedliche Ursachen haben und unterschiedlich auf Behandlung ansprechen.
Wenn von Magengeschwüren beim Pferd die Rede ist, wird oft ein wichtiges Detail übersehen: Es gibt nicht "das eine" Magengeschwür. Der Pferdemagen hat zwei grundverschiedene Bereiche, und Erkrankungen in diesen Bereichen haben unterschiedliche Ursachen, unterschiedliche Behandlungsansätze und unterschiedliche Prognosen.
In diesem Artikel erfährst Du alles über die beiden Hauptformen – und warum diese Unterscheidung für die Behandlung Deines Pferdes so wichtig ist.
Die Anatomie: Zwei Bereiche, zwei Welten
Um ESGD und EGGD zu verstehen, musst Du die Anatomie des Pferdemagens kennen.
Schematische Darstellung des Pferdemagens
(Plattenepithel, drüsenlos)
→ ESGD entsteht hier
(Glandular, mit Drüsen)
→ EGGD entsteht hier
Oberer Bereich (Kutane Schleimhaut)
- Drüsenlos – produziert nichts
- Kein natürlicher Säureschutz!
- Ähnlich wie Speiseröhren-Schleimhaut
- Evolutionär für kurzen Kontakt mit Futter
- Macht ca. 1/3 der Magenfläche aus
Unterer Bereich (Drüsenschleimhaut)
- Mit Drüsen – produziert Säure UND Schutz
- Hat natürlichen Säureschutz
- Produziert Schleim, Bikarbonat, Prostaglandine
- Für dauernden Säurekontakt ausgelegt
- Macht ca. 2/3 der Magenfläche aus
Der entscheidende Unterschied
Der obere Bereich hat keinen eigenen Schutz gegen Säure. Er ist darauf angewiesen, dass Speichel und Futter als Puffer dienen. Wenn diese fehlen (Fresspausen!), ist die Schleimhaut der Säure schutzlos ausgeliefert.
Der untere Bereich produziert seinen eigenen Schutz. Hier entstehen Probleme erst, wenn dieser Schutzmechanismus gestört wird – meist durch chronischen Stress.
EGUS – Der Überbegriff
EGUS steht für Equine Gastric Ulcer Syndrome – das Magengeschwür-Syndrom beim Pferd. Es ist der Oberbegriff für alle Magenläsionen und wird in zwei Hauptformen unterteilt:
(Squamous = drüsenlos)
(Glandular = Drüsenbereich)
Wichtig: Viele Pferde haben beide Formen gleichzeitig! Die Prozentangaben beziehen sich auf Pferde mit Ulzera – nicht auf die Gesamtpopulation.
ESGD im Detail
ESGD – Equine Squamous Gastric Disease
Erkrankung des drüsenlosen oberen Magenbereichs
Ursachen von ESGD
Die Ursache ist klar: Direkte Säureexposition auf ungeschützter Schleimhaut.
Das passiert bei:
- Langen Fresspausen: Kein Futter = kein Puffer = Säure greift an
- Training/Bewegung: Säure schwappt nach oben an die ungeschützte Wand
- Viel Kraftfutter, wenig Raufutter: Weniger Speichel = weniger Puffer
- Zu wenig Kauen: Speichel enthält Bikarbonat als Puffer
Risikofaktoren für ESGD
- Fresspausen über 4 Stunden
- Intensives Training (besonders Galopparbeit)
- Training auf nüchternen Magen
- Hohe Kraftfutter-, niedrige Raufuttermengen
- Boxenhaltung mit zeitlich begrenzter Heufütterung
- Turnierstress, Transport
Behandlung von ESGD
Gute Nachricht
ESGD spricht sehr gut auf Omeprazol an!
- Heilungsrate: 70-90% nach 28 Tagen
- Dauer: Meist 28-60 Tage
- Schlüssel: Fresspausen eliminieren + Raufutter erhöhen
EGGD im Detail
EGGD – Equine Glandular Gastric Disease
Erkrankung des drüsenhaltigen unteren Magenbereichs
Ursachen von EGGD
Die Ursache ist komplexer: Versagen der Schleimhautbarriere.
Der untere Bereich produziert normalerweise genug Schutz (Schleim, Bikarbonat, Prostaglandine). Bei EGGD funktioniert dieser Schutzmechanismus nicht mehr richtig:
- Chronischer Stress: Reduziert die Durchblutung und Schleimproduktion
- NSAIDs (Schmerzmittel): Hemmen Prostaglandine, die für Schleimproduktion wichtig sind
- Bakterielle Faktoren: Werden diskutiert, aber nicht bewiesen
- Genetische Veranlagung: Manche Pferde sind anfälliger
Risikofaktoren für EGGD
- Chronischer Stress (Haltung, Training, Herdenkonflikte)
- Langzeit-NSAID-Gabe (Phenylbutazon, Flunixin)
- Intensive körperliche Belastung
- Frühere Magenprobleme
- Instabile Lebensbedingungen
Behandlung von EGGD
⚠️ Herausforderung
EGGD ist deutlich schwieriger zu behandeln als ESGD!
- Heilungsrate: Nur 40-60% nach 28 Tagen mit Omeprazol
- Dauer: Oft 60-120 Tage nötig
- Schlüssel: Stressreduktion + schleimhautschützende Maßnahmen
Warum spricht EGGD schlechter auf Omeprazol an?
Omeprazol reduziert die Säureproduktion – aber EGGD entsteht nicht primär durch zu viel Säure, sondern durch zu wenig Schutz. Die Säurereduktion allein reicht oft nicht aus.
Zusätzliche Maßnahmen bei EGGD
- Konsequente Stressreduktion: Wichtiger als bei ESGD!
- Schleimhautschützende Substanzen: Sucralfat (verschreibungspflichtig)
- Traditionelle Kräuter: Schleimstoffe aus Eibisch, Malve etc.
- NSAIDs vermeiden: Wenn irgendwie möglich
- Längere Behandlung: Geduld ist gefragt
Der große Vergleich
| Merkmal | ESGD | EGGD |
|---|---|---|
| Lokalisation | Oberer, drüsenloser Bereich | Unterer, drüsenhaltiger Bereich |
| Häufigkeit | 60-90% der Fälle | 10-40% (oft mit ESGD) |
| Hauptursache | Direkte Säureexposition | Gestörte Schleimhautbarriere |
| Wichtigster Risikofaktor | Fresspausen | Chronischer Stress |
| Omeprazol-Wirkung | Sehr gut (70-90%) | Mäßig (40-60%) |
| Behandlungsdauer | 28-60 Tage | 60-120 Tage |
| Schlüssel zur Heilung | Raufutter, kurze Fresspausen | Stressreduktion, Schleimhautschutz |
| Prognose | Gut bei Managementänderung | Vorsichtiger, oft chronisch |
Diagnose: Wie wird unterschieden?
Die Unterscheidung zwischen ESGD und EGGD ist nur durch eine Gastroskopie möglich.
Was der Tierarzt sieht
- ESGD: Läsionen im oberen Bereich, am Margo plicatus, oft linear/strahlenförmig
- EGGD: Läsionen im unteren Bereich, oft punktförmig oder flächig, manchmal mit Schwellung
Der Befund sollte enthalten
- Welche Bereiche betroffen sind (ESGD, EGGD oder beide)
- Schweregrad für jeden Bereich (Grad 0-4)
- Beschreibung der Läsionen
- Bilder zur Dokumentation
- Therapieempfehlung basierend auf Befund
Behandlung: Was ist anders?
Behandlung ESGD
Fokus: Säure weg von der Schleimhaut
- Omeprazol 28-60 Tage
- Fresspausen unter 4 Stunden
- Raufutter ad libitum
- Kraftfutter reduzieren
- Nie nüchtern trainieren
- Heu vor Kraftfutter
Prognose: Gut!
Behandlung EGGD
Fokus: Schleimhautbarriere stärken
- Omeprazol 60-120 Tage
- Ggf. Sucralfat (Tierarzt)
- Konsequente Stressreduktion
- NSAIDs vermeiden
- Schleimstoffreiche Kräuter
- Längere Therapie einplanen
Prognose: Vorsichtiger
Wenn beide Formen vorliegen
Viele Pferde haben sowohl ESGD als auch EGGD. Das erfordert eine kombinierte Strategie:
Kombinierte Behandlung
- Omeprazol: Nach dem schwereren Befund richten (meist längere Dauer für EGGD)
- Management: Sowohl Fresspausen als auch Stress angehen
- Zusätzlich: Schleimhautschützende Maßnahmen (wichtig für EGGD)
- Nachsorge: Besonders gründlich, da zwei Baustellen
GASTROPLUS – Unterstützung für beide Formen
GASTROPLUS mit Eibischwurzel (35% Schleimstoffe), Süßholz und weiteren Magenkräutern bietet Schleimstoffe, die bei beiden Formen unterstützen können:
- Bei ESGD: Schleimstoffe als zusätzlicher Puffer
- Bei EGGD: Traditionelle Unterstützung der Schleimhaut
- Langfristig anwendbar (8-12+ Wochen)
Häufig gestellte Fragen
ESGD betrifft den oberen, drüsenlosen Magenbereich und entsteht durch direkte Säureexposition. EGGD betrifft den unteren Drüsenbereich und entsteht durch eine gestörte Schleimhautbarriere, oft stressbedingt.
ESGD macht 60-90% aller Magengeschwür-Fälle aus. EGGD ist mit 10-40% seltener, tritt aber oft zusammen mit ESGD auf.
EGGD ist deutlich schwieriger zu behandeln. Die Heilungsrate mit Omeprazol liegt bei nur 40-60% nach 28 Tagen, verglichen mit 70-90% bei ESGD. EGGD braucht oft 60-120 Tage Behandlung.
Ja, das ist sogar häufig. Viele Pferde haben sowohl ESGD als auch EGGD. Das erfordert dann eine kombinierte Behandlungsstrategie.
EGGD entsteht nicht primär durch zu viel Säure, sondern durch eine gestörte Schleimhautbarriere. Omeprazol reduziert nur die Säure, behandelt aber nicht die eigentliche Ursache bei EGGD.
Der Margo plicatus ist die gezackte Grenzlinie zwischen dem drüsenlosen und drüsenhaltigen Magenbereich. Diese Zone ist besonders anfällig für Läsionen und wird bei der Gastroskopie genau begutachtet.
Nur durch eine Gastroskopie (Magenspiegelung). Der Tierarzt kann dabei genau sehen, wo die Läsionen lokalisiert sind und einen entsprechenden Befund erstellen.
Die Symptome sind oft ähnlich und unspezifisch (Appetitlosigkeit, Leistungsabfall, Gurtempfindlichkeit). EGGD-Pferde zeigen tendenziell mehr stressbedingte Verhaltensänderungen.
Stress ist bei EGGD ein Hauptfaktor. Chronischer Stress schwächt die Schleimhautbarriere durch reduzierte Durchblutung und Schleimproduktion. Stressreduktion ist daher bei EGGD besonders wichtig für den Behandlungserfolg.
EGGD braucht oft 60-120 Tage Behandlung, deutlich länger als ESGD (28-60 Tage). Zusätzliche schleimhautschützende Maßnahmen wie Sucralfat oder Kräuter können den Heilungsprozess unterstützen.