Warum 80 Prozent aller Atemwegsprobleme hausgemacht sind – und wie du es besser machst
Schnellantwort: Die häufigsten Ursachen für Atemwegsprobleme beim Pferd sind Ammoniak im Stall (über 10 ppm), staubiges Heu und schlechte Belüftung. Mit Heu Bedampfung (99% Staubreduktion), Dauerlüftung und saugfähiger Einstreu lassen sich 80% der Atemwegsprobleme vermeiden.
Die unbequeme Wahrheit: Die meisten Atemwegsprobleme beim Pferd entstehen nicht durch Pech oder schlechte Gene, sondern durch vermeidbare Haltungsfehler. Dieser Artikel zeigt dir, wie du Stallluft und Heu-Qualität wirklich optimierst.
Das Wichtigste auf einen Blick
Jedes Mal wenn dein Pferd Heu frisst oder in der Box steht, atmet es Millionen von Partikeln ein: Staub, Schimmelsporen, Bakterien, Ammoniak. Für die Atemwege ist das Dauerstress.
Die gute Nachricht: Mit den richtigen Maßnahmen lässt sich die Schadstoffbelastung um bis zu 99 Prozent reduzieren – oft ohne großen Aufwand oder Kosten.
In diesem Artikel erfährst du:
- Warum Ammoniak der heimliche Atemwegs-Killer ist
- Wie du richtig lüftest (auch im Winter)
- Heu bedampfen vs. wässern: Der ehrliche Vergleich
- Welche Einstreu wirklich atemwegsfreundlich ist
- Praktische Checkliste für optimales Stallklima
Ammoniak: Der unsichtbare Feind der Atemwege
Was ist Ammoniak (NH₃)? Ein farbloses, stechend riechendes Gas, das beim bakteriellen Abbau von Harnstoff im Pferdeurin entsteht. Und es ist hochgradig reizend für die Atemwege.
Die Ammoniakbelastung in Zahlen
| Konzentration | Bewertung | Auswirkungen |
|---|---|---|
| 0 bis 5 ppm | Optimal | Keine Beeinträchtigung, Geruchsschwelle erreicht |
| 5 bis 10 ppm | Noch akzeptabel | Leichte Reizung möglich, deutlich riechbar |
| 10 bis 25 ppm | Problematisch | Atemwegsreizung, gestörte mukoziliäre Clearance |
| Über 25 ppm | Schädlich | Massive Atemwegsschädigung, chronische Entzündung |
Was Ammoniak in den Atemwegen anrichtet
- Flimmerhärchen Lähmung: Ammoniak schädigt die Zilien (Flimmerhärchen), die normalerweise Schleim nach oben transportieren. Resultat: Schleim staut sich, idealer Nährboden für Bakterien
- Schleimhautreizung: Direkte Reizung führt zu chronischer Entzündung
- Erhöhte Infektanfälligkeit: Geschwächte Abwehrmechanismen
- Trigger für Equines Asthma: Chronische Exposition kann Asthma auslösen oder verschlimmern
So reduzierst du Ammoniak effektiv
Die 5 wirksamsten Maßnahmen
- Täglich komplett ausmisten: Nasse Stellen komplett entfernen, nicht nur abdecken
- Saugfähige Einstreu verwenden: Späne oder Pellets binden Feuchtigkeit besser als Stroh
- Dauerlüftung: Auch im Winter – Ammoniak ist schwerer als Luft und sammelt sich am Boden
- Regelmäßig desinfizieren: Bakterien reduzieren = weniger Ammoniakbildung
- Keine Strohlagerung in Stallnähe: Gärungsprozesse produzieren zusätzlich Ammoniak
Richtig lüften ohne Zugluft: Die Kunst der Stallbelüftung
Das Dilemma: Pferde brauchen frische Luft, vertragen aber keine Zugluft. Wie geht das zusammen?
Die Grundprinzipien guter Stallluft
Ideale Parameter:
- Luftwechselrate: 4 bis 6-mal pro Stunde
- Luftfeuchtigkeit: 60 bis 80 Prozent
- Temperatur: 5 bis 15 Grad Celsius (im Winter)
- Luftgeschwindigkeit auf Pferdehöhe: unter 0,2 Meter pro Sekunde (sonst Zugluft)
- Ammoniakkonzentration: unter 10 ppm
Zugluft vs. Frischluft: Der Unterschied
| Merkmal | Gute Belüftung | Zugluft (schädlich) |
|---|---|---|
| Luftbewegung | Sanft, gleichmäßig | Stark, punktuell |
| Geschwindigkeit | Unter 0,2 Meter pro Sekunde | Über 0,3 Meter pro Sekunde |
| Richtung | Von oben nach unten | Horizontal auf Pferdehöhe |
| Gefühl | Angenehm kühl | Unangenehm kalt, pfeifend |
Lüftungskonzepte für verschiedene Stalltypen
Klassischer Boxenstall
Herausforderung: Oft zu wenig Luftzirkulation
Lösung:
- Fenster dauerhaft gekippt (nicht auf Pferdehöhe)
- Oberlicht Öffnungen
- Gitterboxen Vorderseite
- Firstlüftung im Dach
Aktivstall/Offenstall
Vorteil: Natürliche Belüftung optimal
Beachten:
- Liegehalle vor Zugluft schützen
- Offene Seiten nach Osten/Süden
- Windschutz an Wetterseite
- Heu trotzdem bedampfen (Staub)
Paddockbox
Idealfall: Beste Balance
Optimierung:
- Box zur Paddockseite offen
- Rückwand geschlossen (Wetterschutz)
- Dachüberstand für Regenschutz
Der Zugluft Test
Heuqualität: Die Basis der Atemwegsgesundheit
Erschreckende Tatsache: Selbst optisch sauberes Heu kann beim Schütteln bis zu 1 Million Partikel pro Kubikzentimeter freisetzen. Für Pferdelungen ist das wie täglich in einer Staubwolke zu stehen.
Was steckt im Heustaub?
- Feinstaub: Zerbrochene Pflanzenteile (PM10, PM2,5)
- Schimmelsporen: Besonders Aspergillus (hochallergen)
- Bakterien: Thermophile Actinomyceten
- Milbenkot: Vorratsmilben leben in jedem Heu
- Pollen: Je nach Schnittzeitpunkt
- Endotoxine: Bakteriengifte, stark entzündungsfördernd
Heuqualität beurteilen: Der 5-Punkte-Check
| Kriterium | Sehr gut | Akzeptabel | Inakzeptabel |
|---|---|---|---|
| Geruch | Aromatisch, würzig nach Kräutern | Neutral, leicht heuig | Muffig, modrig, staubig |
| Farbe | Grün bis grüngelb | Gelbgrün bis gelb | Braun, grau, weiße Flecken |
| Struktur | Grashalme klar erkennbar | Etwas bröselig | Sehr fein, staubig, zerbröselt |
| Staubentwicklung | Kaum Staub beim Schütteln | Leichter Staub | Deutliche Staubwolke |
| Feuchtigkeit | Trocken, raschelt | Trocken | Feucht oder zu trocken/spröde |
Heu bedampfen: Der Goldstandard
Warum bedampfen die beste Methode ist: 100 Grad Celsius heißer Wasserdampf tötet Schimmelsporen und Bakterien ab und bindet Staub dauerhaft – ohne Nährstoffverluste.
Bedampfen vs. Wässern: Der ehrliche Vergleich
| Kriterium | Bedampfen | Wässern/Tauchen | Trocken füttern |
|---|---|---|---|
| Staubreduktion | 99 Prozent | 90 Prozent | 0 Prozent |
| Schimmelsporen | Abgetötet | Nur gebunden, nicht abgetötet | Vorhanden |
| Nährstoffe | Erhalten (Verlust unter 5 Prozent) | Verlust bis 30 Prozent | 100 Prozent erhalten |
| Haltbarkeit | 24 Stunden kühl gelagert | Sofort verfüttern (kippt schnell) | Monate |
| Kosten | Bedampfer 800 bis 2000 Euro (Einmalig) + Strom | Nur Wassertonne (20 bis 50 Euro) | Keine |
| Aufwand | 30 bis 60 Minuten Dampfzeit | 10 bis 30 Minuten Einweichzeit | Keiner |
| Akzeptanz | Sehr gut (warm, aromatisch) | Gut bis mittel | Sehr gut |
Bedampfen richtig gemacht
Bei akutem Husten ist bedampftes Heu Pflicht, bei chronischem Equinem Asthma alternativlos.
Wässern als Alternative: Wann sinnvoll?
Heu wässern ist besser als gar keine Aufbereitung, hat aber deutliche Nachteile:
Wann Wässern OK ist
- Als Übergangslösung
- Bei gesunden Pferden ohne Atemwegsprobleme
- Wenn Bedampfer (noch) nicht verfügbar
- Bei sehr staubigem Heu
Wann Bedampfen Pflicht ist
- Equines Asthma (COB/RAO)
- Chronischer Husten
- Akute Atemwegsprobleme
- Schimmelverdacht im Heu
Die richtige Einstreu für gesunde Atemwege
Nicht nur Heu ist ein Staubproblem – auch die Einstreu! Hinzu kommt: Die Einstreu beeinflusst direkt die Ammoniakentwicklung.
Einstreuarten im Atemwegs-Check
| Einstreuart | Staubentwicklung | Ammoniakbindung | Bewertung Atemwege |
|---|---|---|---|
| Weizenstroh | Hoch | Schlecht | Nicht empfehlenswert für Atemwegspatienten |
| Holzspäne (entstaubt) | Gering | Sehr gut | Sehr gut geeignet |
| Holzpellets | Sehr gering | Ausgezeichnet | Optimal für Atemwegspatienten |
| Hanf | Gering | Gut | Gut geeignet |
| Leinstroh | Mittel | Mittel | Bedingt geeignet |
| Miscanthus | Gering | Gut | Gut geeignet |
Stalltypen im Vergleich
Offenstall
Atemwegs-Rating: 5 von 5 Sternen
Vorteile:
- Beste natürliche Belüftung
- Keine Ammoniakprobleme
- Optimale Luftfeuchtigkeit
- Viel Bewegung = Schleimlösung
Beachten:
- Liegehalle vor Zugluft schützen
- Heu trotzdem bedampfen (Staub)
Paddockbox
Atemwegs-Rating: 4 von 5 Sternen
Vorteile:
- Gute Belüftung durch offene Seite
- Rückzugsmöglichkeit vorhanden
- Weniger Ammoniak als Innenbox
Beachten:
- Box zur Wetterseite orientieren
- Regelmäßig ausmisten
Innenboxenstall
Atemwegs-Rating: 2 von 5 Sternen
Nachteile:
- Oft schlechte Belüftung
- Ammoniakprobleme häufig
- Staubbelastung durch Stallgasse
Optimierung möglich:
- Dauerlüftung einbauen
- Gitterboxen nutzen
- Maximaler Weidegang
- Heu bedampfen Pflicht
Checkliste: Optimales Stallklima erreichen
Nutze diese Checkliste, um dein Stallmanagement zu überprüfen:
Tägliche Maßnahmen
- ☐ Box komplett ausmisten (nicht nur nasse Stellen abdecken)
- ☐ Heu bedampfen oder wässern
- ☐ Fenster/Türen zur Belüftung öffnen
- ☐ Wasserstellen sauber halten (verdunstendes Wasser erhöht Luftfeuchtigkeit)
Wöchentliche Maßnahmen
- ☐ Box komplett ausräumen und kehren
- ☐ Einstreu auf Schimmelbildung prüfen
- ☐ Futterraufen und Tränken gründlich reinigen
- ☐ Stallgasse feucht kehren (Staub reduzieren)
Monatliche Maßnahmen
- ☐ Box desinfizieren (besonders nach Krankheit)
- ☐ Heuqualität überprüfen (Geruch, Farbe, Staub)
- ☐ Belüftungssystem kontrollieren
- ☐ Einstreulager auf Schimmel prüfen
Jährliche Maßnahmen
- ☐ Heuanalyse im Labor (Schimmel, Bakterien)
- ☐ Ammoniak-Messung durchführen
- ☐ Belüftungsanlage warten lassen
- ☐ Dach auf Undichtigkeiten prüfen (Feuchtigkeit)
Ergänzend zur Stalloptimierung: Atemwege präventiv stärken mit Kräutern und Immunsystemaufbau.
Häufig gestellte Fragen
Muss ich auch im Winter lüften?
Antwort: Ja, unbedingt! Gerade im Winter ist die Ammoniakbelastung am höchsten, weil weniger gelüftet wird. Pferde vertragen Kälte gut (Thermoregulation), aber keine schlechte Luft. Wichtig: Zugluft auf Pferdehöhe vermeiden, aber Dauerlüftung über Fenster und First.
Lohnt sich ein Heubedampfer wirklich?
Antwort: Absolut! Bei chronischen Atemwegsproblemen ist er unverzichtbar. Die Anschaffungskosten (800 bis 2000 Euro) amortisieren sich durch: weniger Tierarztkosten, bessere Futterverwertung (keine Nährstoffverluste wie beim Wässern), längere Nutzungsdauer des Pferdes. Für Atemwegspatienten ist Bedampfen alternativlos.
Wie erkenne ich Ammoniak im Stall?
Antwort: Deine Nase ist der beste Indikator. Wenn du beim Betreten des Stalls stechenden Geruch wahrnimmst = zu viel Ammoniak. Menschen nehmen Ammoniak ab ca. 5 ppm wahr, schädlich wird es ab 10 ppm. Also: Riechst du es = handeln! Ammoniak Messgeräte gibt es ab 50 Euro, für genaue Werte.
Ist Stroheinstreu wirklich so schlecht?
Antwort: Für gesunde Pferde ohne Atemwegsprobleme ist gutes, entstaubtes Stroh OK. Für Atemwegspatienten ist es problematisch: hohe Staubentwicklung, schlechte Ammoniakbindung, oft Schimmelsporen. Holzspäne oder Pellets sind deutlich besser für die Atemwege.
Kann schlechte Stallluft wirklich Equines Asthma auslösen?
Antwort: Ja! Chronische Exposition zu Staub, Schimmelsporen und Ammoniak kann eine genetische Veranlagung zum Ausbruch bringen oder bestehende Probleme verschlimmern. Studien zeigen: Pferde in Offenställen haben signifikant weniger Atemwegsprobleme als Boxenpferde – bei gleicher Genetik.
Wie lange hält bedampftes Heu?
Antwort: Im Sommer bei Zimmertemperatur maximal 8 bis 12 Stunden, dann beginnt es zu gären. Kühl gelagert (Kühlschrank, kalter Raum) bis zu 24 Stunden. Plane also voraus: Bedampfe abends für den nächsten Tag mit und lagere es kühl. Riecht es säuerlich = entsorgen, nicht mehr füttern.